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Landjugend tischkutiert mit Politikern

Erstellt von Anja Grüter, Gaby May, Wolfgang Kleemann, Rotraud Weber | |   AgrarNews

Gelungene Diskussionsveranstaltung zum Thema "Ländlicher Raum"

Knapp 30 Landjugendliche aus ganz Rheinland-Pfalz nutzten die Möglichkeit, mit Abgeordneten aus Land- und Bundestag, Mitarbeitern vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, sowie einer Vertreterin der Landfrauen Rheinhessen Standpunkte zu verschiedenen Themen zur Zukunft des ländlichen Raumes in Mainz zu diskutieren.

Nach einer kurzen Begrüßung durch die Vorsitzende der Rheinhessisch-Pfälzischen Landjugend Heidrun Hiestand und den Vorsitzenden der Landjugend Rheinland-Nassau Arno Billen stellten einige Landjugendliche konkrete Problemstellungen aus ihrem täglichen Leben vor. Diese Inputs dienten dann an den drei verschiedenen Tischen als Gesprächseinstieg für interessante Diskussionen zwischen Jugendlichen und Politikern. Grundlage für alle Gespräche war das von der Arbeitsgemeinschaft der Landjugendverbände Rheinland-Pfalz verschickte Positionspapier zur Zukunft des ländlichen Raumes als Lebens- u. Bleibeperspektive für junge Menschen.

Neben dem „geistigen“ Stoff war aber auch für das leibliche Wohl bestens gesorgt. An den Gesprächstischen wurden von Mitgliedern der Landjugendgruppe Guntersblum kleine Köstlichkeiten zum Essen und Trinken serviert. Die Snacks und Getränke kamen natürlich alle aus Rheinland-Pfalz und waren von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft der Landjugendverbände mitgebracht worden. Jetzt konnte „tischkutiert“ werden.

Am Tisch zum Thema „Ländlicher Raum“ eröffnete Christoph Sommer, Jungwinzer aus Hambach, die Diskussion mit einer Problematik aus seiner Landjugendgruppe: „Wir haben seit Jahren Probleme mit Nachbarn bei der Veranstaltung unseres Weinfestes; auf der einen Seite sollen und wollen wir Jugendliche und junge Erwachsene an die Brauchtumspflege heranführen, auf der anderen Seite soll das möglichst lautlos und unauffällig geschehen – und das ist nicht immer im Interesse der Jugendlichen“, so Sommer. Konkret hatten sich Nachbarn über die Lautstärke der Musikveranstaltungen im Rahmen des Weinfestes beschwert, und bisher war jeder Versuch eines Kompromisses gescheitert. „Ich verstehe Ihr Problem“, so Gustav Herzog, MdB –„aber natürlich können wir als Gesetzgeber nicht jeden Einzelfall durch neue Gesetze regeln. Er plädiere dafür, weiter auf die Nachbarn zuzugehen und trotz aller Schwierigkeiten nach Lösungen zu suchen.

Große weitere Themen waren das Thema „Flächenverbrauch“ im Ländlichen Raum und der demografische Wandel mit seinen Auswirkungen auf die Dörfer in Rheinland-Pfalz. Verschiedene Aspekte wurden diskutiert: Prof. Lorig, MWVLW sieht in der Dorfkern-Revitalisierung eine wichtige Steuerungsaufgabe von Seiten des Landes: „Wir müssen aufhören, ständig neue Flächen durch die Ausweisung immer neuer Neubaugebiete zu verbrauchen, wenn gleichzeitig Dorfkerne leerfallen“, so Prof. Lorig. Politisch-steuerliche Anreize, Dorfkerne zu revitalisieren, seinen geeignete Steuerungsinstrumente. Diese Ansicht, die im Übrigen auch die Ansicht der Landjugend ist, wird auch von Günther Eymael, MdL, geteilt: „Dort, wo erheblicher Leerstand zu erwarten ist, muss gegengesteuert werden“. „Allerdings, so Prof. Lorig weiter: „Jedes Dorf braucht sein eigenes Modell für die Bewältigung dieses Problems – das Land kann z.B. in Form eines Wettbewerbes zur Dorfinnenentwicklung gute Beispiele prämieren und damit bekannt machen.“  Gerade für die Landwirte sei der Flächenverbrauch zur Zeit ein größeres Problem, so Marcel Müller, stellvertretender Landesvorsitzender der Landjugend und Landwirt aus Körborn. „Die Flächen für unsere landwirtschaftlichen Betriebe werden in einigen Regionen knapp; diese Knappheit verhindert ein weiteres Wachstum“. Deshalb müsse auch über eine stärkere Kooperation der Gemeinden bei der Ausweisung von Gewerbegebieten  nachgedacht werden.

Einig waren sich alle am Tisch, dass die Versorgung der ländlichen Räume mit Hochgeschwindigkeitsnetzen zum Datentransfer rasch ausgebaut werden müsse, was z.T. ja schon durch gerade aufgelegte Bundes- und Landesprogramme gefördert wird.

Am Tisch Jugendpolitik diskutierten die Landjugendlichen unter der Moderation von Ute Fleischmann mit Ute Granold, MdB, Dorothea Schäfer, MdL, Clemens Hoch, MdL und Thorsten Wehner, MdL.

Führerschein mit 17 war das erste Thema. Problematisch wird von Jugendlichen gesehen, dass ältere Geschwister trotz jahrelanger Fahrpraxis oftmals nicht als Begleitperson in den Führerschein eingetragen werden können. Neben anderen Vorraussetzungen müssen diese momentan mindestens 30 Jahre alt sein. Dies beschränke die Auswahl der möglichen Begleitpersonen erheblich, v.a.. wenn beide Elternteile berufstätig sind, so Melanie Wolf aus der Landjugend RheinhessenPfalz. Die Landjugendlichen machten darauf aufmerksam, dass gegenüber einem „normalen“ Führerschein Mehrkosten für junge Leute anfallen. Dies war bislang den anwesenden Politiker/innen nicht bekannt. Sie sicherten zu, die Sachlage nochmals zu prüfen.

Die Situation der Schülertransporte wurde von Thomas May, Vorstandsmitglied der Landjugend Rheinland-Nassau, anschaulich präsentiert. Neben der Wirtschaftlichkeit seien auch weitere Faktoren zu beachten, appellierten die Landjugendlichen an die Politik. Insgesamt sei die Situation im Öffentlichen Personennahverkehr unbefriedigend. Lange Wartezeiten, überfüllte Busse, Unpünktlichkeit, nicht vernetzte Verkehrsverbünde und zu wenig eingesetzte Busse machen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zunehmend unattraktiver. In diesem Punkt stimmte die Politik ebenfalls den Landjugendlichen zu, dass es notwendig sei, diese Thematik erneut auf die Agenda zu nehmen.

Ausgiebigst wurde die geplante Zusammenlegung von Hauptschulen und Realschulen in Rheinland-Pfalz sowie das Bildungssystem erörtert und von verschiedensten Seiten beleuchtet. Kontrovers wurden sowohl auf Seite der Landjugendlichen als auch auf Politikerseite die Zusammenlegung von Schulen, die Sicherung von Standorten und die Anforderungen an das Lehrpersonal diskutiert. Insgesamt sei zu beobachten, dass die Lehrerinnen und Lehrer zunehmend Versäumnisse im Vorfeld aufzufangen haben. Eine Einigung aller Positionen war hinsichtlich, des geforderten Betreuungsschlüssels möglich. Kleinere Klassen sowie ein verstärkter Einsatz von Sozialpädagog/innen an Schulen wird von allen als notwendig erachtet. Zusätzlich ist eine inhaltliche Diskussion mindestens genau so wichtig wie eine Strukturdiskussion.

Die Akzeptanz von Jugendlichen und ihren Veranstaltungen, die teilweise schon eine große Tradition haben, wurde als weitere Schwierigkeit für das ehrenamtliche Engagement thematisiert. So gebe es z.B. vermehrt Beschwerden über Lärmbelästigung bei Feten, die ins Dorfleben seit Jahrzehnten integriert seinen. Hier bekamen die Jugendlichen den Tipp, diese Feste als Traditionsveranstaltung des Ortes anerkennen zu lassen, um somit eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten. Insgesamt bescheinigten die Politiker/innen die Beobachtung, dass weniger Akzeptanz in der Gesellschaft gegenüber den Interessen von Kindern und Jugendlichen vorhanden sei. Hier gelte es gegenzusteuern.

 Am „Agrartisch“ tischkutierten Monika Fink, MdL, Peter Bleser, MdB und Dr. Günter Hoos, MWVLW unter Leitung von Arno Billen mit den Landjugendlichen. Hauptthemen waren hier der Biogasanlagenbereich, die Ausgleichsflächenproblematik, die wegfallende Förderung des Tabakanbaus, die Saisonarbeitskräfteregelung, die Agrardieselproblematik und die Milchmarktordnung.

Die Landjugendlichen sprachen sich gegen die Erhöhung des Nawaro-Bonus im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und für eine verstärkte Nutzung bzw. Förderung der Nutzung der bei der Biogasproduktion anfallenden Wärme aus. „Es kann nicht sein, dass ein Drittel der entstehenden Energie nicht genutzt wird“, so Mark Hülpes. Hier bekamen die Landjugendlichen breite Zustimmung durch ihre Gäste. Auch sahen die Landjugendlichen die „Preistreiberei“ auf dem Pachtsektor, vor allem bedingt durch die Vielzahl der Biogasanlagen, sehr kritisch.

Ein weiteres Problem sahen die Landjugendlichen in dem „Landhunger“, der durch die Vielzahl der Ausgleichsmaßnahmen im Zusammenhang der unterschiedlichsten Baumaßnahmen von privater, wie auch öffentlicher Hand ausgelöst sei. Diese Flächen stünden nicht mehr für die landwirtschaftliche Produktion  zur Verfügung. Monika Fink schlug hier die Einrichtung von Ökokonten auf Ortsebene vor und sagte zu,  hier pragmatischere Lösungen zu entwickeln und dieses Thema im Agrarausschuss zu thematisieren. Peter Bleser sprach sich für Ausgleichsmaßnahmen in direktem Zusammenhang mit den jeweiligen flächenverbrauchenden Bauprojekten aus.

Die Anliegen der anwesenden landjugendlichen Tabakanbauer machten deutlich, dass durch die in Kürze wegfallende EU-Förderung des Tabakanbaus, hier ein über Generationen gewachsener landwirtschaftlicher Produktionszweig in seiner Existenz bedroht ist. Hier konnten die Diskussionspartner nur etwas hilflos zustimmen, aber dennoch anbieten, bei der Suche nach Möglichkeiten und Alternativen für diese exotische Sparte der rheinland-pfälzischen Landwirtschaft mitzuhelfen. Die nächsten Monate werden zeigen, ob sich hier Lösungsmöglichkeiten anbahnen.

Die mittlerweile etwas entspanntere Saisonarbeitskräfteproblematik wird zur Zeit wieder durch lukrativere Lohngefüge in anderen EU-Ländern verschärft . Mit dieser Feststellung brachten die Landjugendlichen dieses Thema in die Diskussion. Hier sah Monika Fink in einem Mindestlohn eine Lösungsmöglichkeit, während Peter Bleser dies den ökonomischen Entscheidungen der Betriebsleiter überlassen wollte. Es war für die Landjugendlichen durchaus interessant  hier die parteipolitischen Schlagabtausche hautnah mitzuerleben.

Hinsichtlich einer günstigeren Lösung für Agrardiesel, wie es sie in den Nachbarländern gibt, wollte Peter Bleser den Landjugendlichen bei allem Verständnis für ihre Situation keine Hoffnungen machen. Eine Gleichstellung des Agrardiesels mit Heizöl würde 1 Milliarde Steuereinnahmen kosten. Dies sei unter finanzpolitischen Gesichtspunkten völlig indiskutabel.

Beim Thema Milchmarktordnung betonten die Landjugendlichen ihre Forderung nach einem Ausstieg aus der Quotenregelung sowie nach einer Absenkung der Superabgabe auf Null, um zu sehen, wie sich der Markt entwickelt. Hier müsse schnellstmöglich Planungssicherheit hergestellt werden. Peter Bleser betonte die Wichtigkeit eines gleitenden Übergangs, um Überreaktionen des Marktes zu vermeiden.

Abschließend konnten alle Beteiligten feststellen, dass die angenehme Verbindung von leiblichen Genüssen mit inhaltlicher Diskussion auf jeden Fall wiederholt werden sollte. Die Erfahrung, dass ihre Anliegen ernst genommen werden und sehr wohl etwas bewirken können, wenn sie auf politischer Ebene vorgebracht werden, war für die beteiligten Landjugendlichen sehr wertvoll.  Mit den Worten „Uns allen liegt die Zukunft des ländlichen Raumes am Herzen und wir wollen uns aktiv dafür einsetzen, dass unsere Interessen vertreten werden“, fasste Stefan Braunewell, Vorsitzender der Landjugend RheinhessenPfalz die Veranstaltung zusammen.

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